Sonntag, 3. Dezember 2017

Schweden / Norwegen im Mai / Juni 2017

"OK! Das war es dann", schießt es mir durch den Kopf!


Seit Stunden sind wir bereits auf Schotterpisten und Waldwegen in Richtung des Fulufjällets Nationalparks unterwegs und hatten die letzten Tage schon ausreichend Zeit und Gelegenheit, die Fahrtechnik auf Schotter zu verfeinern. Die gefährliche Mischung aus Routine und Übermut verleitet dazu, die Kurven zu schnell und im leichten Drift mittels kurzer Gasstöße zu nehmen. Zudem gewöhnt man sich an die Einsamkeit der letzten Tage und rechnet nicht wirklich mit Hindernissen auf der Fahrbahn.

Und überhaupt: was einem in Sekunden durch den Kopf geht, kann man gar nicht so schnell aussprechen, geschweige denn schreiben. In diesem Moment war das:

Ist der schön!
Ist der groß!
Du musst bremsen!
Du Trottel hast das ABS nicht ausgeschaltet!

Das unser erster Elch nicht gleichzeitig unser letzter ist, bleibt nur dem Überlebenswillen des Tieres zu verdanken, das mit einem gewaltigen Satz über den Graben in den Wald flüchtet. Wir blicken ihm immer noch überrascht hinterher und sehen, wie er sich auf dem Weg in das dichte Gehölz noch einmal umdreht. Ich glaube sogar, ein Kopfschütteln erkennen zu können.

Das hätte bereits nach fünf Tagen das Ende unserer Reise sein können, die am Samstag zuvor mit großer Hitze auf bundesdeutschen Autobahnen bis Bremen begonnen hat. Dort haben wir einen schönen Abend im Familienkreis verbracht und uns am Sonntag auf den Weg zur Fähre nach Kiel gemacht. Die Stena Scandinavia schipperte uns über Nacht nach Göteborg, wo wir bereits bei der Hafeneinfahrt mit der Schärenlandschaft Schwedens vertraut gemacht wurden. Allerdings betrug der Temperaturunterschied bereits jetzt knappe 24°.

Hafeneinfahrt Göteborg
Bei leichtem Nieselregen suchten wir den direkten Weg raus aus der Großstadt. Allerdings nicht wie die meisten anderen über die E6 oder E45, sondern entlang des Skagerak und der Schärenküste nördlich von Göteborg. Schon bevor wir Marstrand erreichen, lernen wir die Besonderheiten der kleinen Fähren kennen. Die gelben Fähren gehören der Trafikverkets Reederei, die ca. 40 kostenlose Fährverbindungen betreibt um die entlegenen Gebiete an das Verkehrsnetz anzubinden.

Angesichts des regnerischen Wetters werfen wir nur einen kurzen Blick auf Marstrand:

Marstrand
bleiben dafür ein paar Kilometer später in Nösund hängen, einem kleinen Fischerdorf auf der Insel Orust

Nösund / Insel Orust

Schärenschleifer in Nösund
Auch Malö ist so eine kleine Schäreninsel, die wir auf der einen Seite mittels Fähre erreichen und auf der anderen über einen schmalen Damm verlassen. Diese paar Kilometer bieten tolle Aus- und Einblicke in die Welt dieser eigenwilligen Insellandschaft.



Nachmittags kommt die Sonne raus und wir finden nach 304 Tageskilometern bei Mellerud am Vänern See den kleinen Platz Kerstins Camping, auf dem wir uns für die erste Nacht in Schweden einrichten. Der Vänern ist der drittgrößte See Europas und hat eine Küstenlinie von 2.000 km, sodass eher der Eindruck eines Meeres entsteht.
Das Abendessen ist schnell auf dem Gaskocher zubereitet und wir laufen noch eine Runde um den Platz durch den Wald,


bis wir merken dass es viel später ist, als es die Helligkeit der Umgebung vorgaukelt. So kurz vor Mittsommer ist es auch hier schon des Nachts nie dunkel und wir können um ein Uhr nachts noch ohne künstliches Licht ein Buch lesen.

Route Tag 1 = 304km

Wir schlafen trotz der Helligkeit erstaunlich gut und starten ausgeruht in Richtung Norden. Schon ein paar Kilometer weiter lädt uns der Ort Haverud zu einem kurzen Stop ein.
Die Straße überquert zwischen zwei Seen eine Brückenkombination aus Schifffahrtskanal, Eisenbahn und Fluß.


Für die Weiterfahrt nutzen wir meist die kleinen roten Straßen auf der Karte, die sich über Wald- und Schotterwege an Seen entlang leicht hügelig durch die ruhige und einsame Landschaft schlängeln. Aufpassen muss man nur an den vielen uneinsehbaren, blinden Kuppen.


Über Arvika, Sunne und und Munkfors erreichen wir in der Nähe von Rada einen schönen Campingplatz im Wald am Ufer des Radasjön Sees (Radastrand Camping). Von den 308
Tageskilometern waren ca. 80 über unbefestigte Wege.


Route Tag 2 = 308km
Ich liebe diesen Zustand! Der Übergang aus dem Schlaf in die Wach- oder vielmehr Halbwachphase an den ersten Tagen im Urlaub. Die Augen noch geschlossen, dringen die ersten Geräusche in die Wahrnehmung: das Atmen des geliebten Menschen neben Dir, draußen brummt eine Hummel am Zelt vorbei, Vögel singen ihr Lied, das Rauschen des Windes der die Oberfläche des Sees zu kleinen, ans Ufer plätschernden Wellen kräuselt. Zudem spüre ich bereits die wärmende Kraft der Sonnenstrahlen. Aufstehen, duschen, Wasser kochen....
Anke wird merkwürdigerweise erst immer vom Geräusch des in die Tasse gegossenen Kaffes wach...

Eine Stunde später ist alles gepackt und verstaut und wir brechen auf. Im Verlauf des vormittags wird der Wind immer stärker und kälter. Zudem gewinnen wir merklich an Höhe. Die Fahrt führt wieder über herrliche kleine Straßen und Waldwege durch Wälder und an Seen entlang, die zumindest im Windschatten der Bäume zu einer Pause einladen.



Freunde von uns haben aus Handarbeitsresten einen glücksbringenden Reisebegleiter gebastelt, der hier und jetzt zum ersten Mal mit uns verreist. Wir haben ihn auf den Namen "Poncho" getauft und auch ihm gefällt der weitere Weg:


Auf den Höhenstraßen können wir eine erste Ahnung von der Tundralandschaft der nächsten Tage erlangen. Alle zwei Stunden unterbricht ein Dorf die Einsamkeit, andere Fahrzeuge haben wir heute kaum gesehen.



In der Nähe von Tällberg finden wir nach 235 Kilometern direkt am Siljan See einen kleinen Campingplatz, ziehen uns jedoch aufgrund des kalten Windes schon früh ins Zelt zurück.




Route Tag 3 = 235km
Der Sturm hat über Nacht Wolken gebracht. Aber wir schaffen es noch, vor dem einsetzenden Regen zu packen und die Weiterfahrt anzutreten. Kurz darauf fahren wir über Naturstraßen den Ämån entlang, um zwei Wasserfälle zu suchen. Der Storstupet wird als Floßrutsche für den Holztransport genutzt und von einer alten Eisenbahnbrücke überquert.



 Ein paar Kilometer weiter müssen wir uns den Helvetsfjallet über einen steilen Waldweg erwandern.


Eine endlos lange Schotterautobahn führt durch den Wald und uns in Richtung Färnäs, wo die bekannten Dalapferde herkommen. Ein paar davon erhalten ihr Gnadenbrot jetzt auch
in Aachen  :-)



Mittlerweile hat sich die Sonne wieder durchgesetzt und wir befahren eine allen Klischees entsprechende schwedische Astrid Lindgren Bilderbuchlandschaft.




Spät erreichen wir bei Älvdalen den Campingplatz am Ufer des fischreichen Österdalälven. Durch die Wanderungen und Besichtigungen sind es heute nur 201 km geworden.

Route Tag 4 = 201km
Es wird uns einfach nicht langweilig. Wunderschöne, einsame und bis zu 80 km lange Naturpisten schlängeln sich durch dichte Wälder oder über karge Höhenstraßen entlang von Wasser in jeglicher Form. Ob Seen oder Flüsse; Wasser ist allgegenwärtig und übt einen eigenen Reiz aus. Als zusätzliche Komponente kommen jetzt die ersten sichtbaren Schneefelder dazu.



 

Nach der eingangs erwähnten Begegnung mit unserem ersten Elch erwartet uns ein Highlight der Reise: der Njupeskärs Vattenfall im Fulufjällets Nationalpark, mit 125 Metern der
höchste Wasserfall Schwedens. Wir erwandern ihn vom Nationalparkparkplatz auf einer knapp zweistündigen Wanderung und sind von der ganzen Umgebung begeistert. Für uns
absolut unverständlich, sind wir auch hier alleine unterwegs und treffen keinen anderen Menschen.
 



In Särna finden wir nach 192 km den schönen Zeltplatz oberhalb des Hedarfjorden und genießen den Abend bei warmen Temperaturen. Morgen werden wir die Grenze nach Norwegen überqueren und lassen die Tage in Schweden noch einmal Revue passieren. Ein tolles Land mit extrem freundlichen Menschen. Wenn man denn welche sieht! Die Ruhe und die Einsamkeit haben uns absolut fasziniert und wir beschließen, auf jeden Fall noch einmal herzukommen.




Route Tag 5 = 192km
Unterhalb des Platzes steht direkt am Wasser eine alte, aufgegebene Holzkirche, um die sich ein Friedhof und einige alte Hofgebäude scharen.



Wir brechen früh auf und sehen auf dem Weg in Richtung Norden durch menschenleere Landschaft wieder ein paar Elche.



Eigentlich wollen wir in Richtung des Predikstolen, lassen uns aber aufgrund der Temperaturen um den Gefrierpunkt und angesichts der ersten Skifahrer in Richtung Westen treiben. Im Vorbeifahren erkennen wir einen Wegweiser, der auf einen Meteoritenkrater hinweist. Hatten wir noch nie. Müssen wir also sehen. Auf dem Waldparkplatz stehen schon zwei Motorräder und wir treffen deren Fahrer auf der Wanderung zum Krater . Zwei Schweden auf dem Weg nach Norwegen mit denen wir ein sehr nettes und langes Gespräch führen.




Kurz darauf überqueren wir auch die Grenze nach Norwegen, was sich nur insofern bemerkbar macht, als die Straße wieder einen (gelben) Mittelstreifen bekommt.
Wir machen Pause in der alten Bergbaustadt Røros, wo im Winter auch schon mal -50° gemessen werden. Heute ist es sonnig und wir besichtigen das Weltkulturerbe, das fast ausschließlich aus alten Holzhäusern mit bunten Fassaden besteht.





Kurz nach der Weiterfahrt setzt Regen ein und wir beenden den Tag nach 296 km auf dem Zeltplatz in Tynset, der allerdings wenig heimelig nur zur Durchreise taugt.

Route Tag 6 = 296km
Für die nächsten drei Tage haben wir uns einige geschotterte Höhenstraßen vorgenommen. Heute starten wir über Alvdal mit dem Haustdalen. Verdutzt stehen wir inmitten großer Wildnis vor einer Schrankenanlage, die uns per Kreditkarte nach Abbuchung von 60 Kronen den Weg freigibt. Die Maut wird für die Pflege der landschaftlich besonders wertvollen Wege in dieser entlegenen Region eingesetzt und ist den Preis definitiv wert. Hier warten ca. 40 km Schotter auf uns, die im letzten Abschnitt auch ein paar sehr anspruchsvolle, weil extrem steile und mit grobem Geröll gespickte Abschnitte aufweisen. Zumindest für eine schwer bepackte Reiseenduro.





Die direkte Verbindung zum Grimsdalen bleibt uns wegen einer eingestürzten Brücke leider verwehrt, sodass wir einen Umweg über Grimsbu fahren müssen.

Das waren wir nicht, das war schon so :-)


Wenn wir gewusst hätten, dass wir für die nächsten 120 km den ganzen Tag benötigen, hätten wir unser Gepäck bereits jetzt auf dem Campingplatz abladen können, aber "irgendwas ist ja immer". So finden wir bei Dalen den Einstieg in den Einundalen (90 Kronen Maut) und sind in den nächsten Stunden so begeistert, dass uns noch nicht einmal die Kälte auffällt. Schnell gewinnen wir an Höhe und bereisen eine ca. 80 km lange Schotter- und Sandpiste, die sich hakenschlagend durch dieses Hochtal schlängelt und beeindruckende Blicke in den Rondane Nationalpark bietet. Oberhalb der Baumgrenze wachsen nur noch Flechten zwischen den Schneefeldern und auf den Seen treiben meterdicke Eisschollen, auf denen sich Otter tummeln. Ständig halten wir an, laufen ein paar Schritte oder sitzen einfach da, um die Eindrücke aufsaugen zu können. Später als geplant erreichen wir wieder Grimsbu und können gerade noch vor dem einsetzenden Regen unser Zelt aufbauen (198 km). Was für ein schöner Tag!






Route Tag 7 = 198km
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und der Himmel ist blankgeputzt. Wir starten in Richtung der Grimsdalen Höhenstraße, die uns für 80 Kronen Maut weitere 45 km Schotter bietet, die sich jedoch wegen der Regenfälle der vergangenen Nacht recht anspruchsvoll geben. Bei trockenem Wetter jedoch mit jedem Motorrad gut zu befahren. Im ersten Drittel zweigt rechts ein steiler Sandweg zu der alten Sennerei Tollershaugen ab die wir natürlich besuchen müssen.




Zurück auf dem Hauptweg genießen wir die Einsamkeit in dem landschaftlich wunderschönen Auf und Ab des Höhenweges,


bevor wir bei Dombas die langweilige, aber aufgrund der Höhe eiskalte E6 nehmen, um nochmal ein paar Kilometer zu machen. Bei Risan finden wir einen Abzweig in Richtung Westen über eine winzige Straße durch das Skordalen und stehen wenig später bei Sunndalsøra vor unserem ersten Fjord. Die Dimensionen machen erst einmal sprachlos und wir lassen die Eindrücke bei einer längeren Pause sacken.




Auf dem weiteren Weg umfahren wir die beiden Tunnel auf den historischen Routen, wobei die Absperrung der ersten so eng ist, dass wir einen Koffer demontieren müssen. Direkt und quasi "im" See Gammelsetervatnet finden wir nach 308 km einen Zeltplatz in traumhafter Lage und sitzen noch lange am Ufer des Sees.
 

Route Tag 8 = 308km
Um es vorwegzunehmen: heute wird einer dieser Tage an denen Du Dir bewusst wirst, warum Du trotz oder gerade wegen aller Unvernunft dieses Hobby Motorrad und diese Art des Reisens liebst. Der Tag beginnt warm, wird eiskalt, bietet Sonne, Regen und Schnee. Dieser Tag wird einer der schönsten in unserem Motorradleben!
Die Sonne weckt uns und es ist ungewöhnlich warm. Das Kaffewasser kocht, wir hören Musik, tanzen sogar dazu. Ein perfekter Morgen! Nach dem Packen rollen wir über die wunderschöne 660 den Eikedalsvatner entlang in Richtung Süden.



Die Straße wird immer schmaler und geht an einer weiteren Mautstelle in einen steilen Schotterweg über, der aber für Motorräder frei ist. Sehr schnell geht es über enge und steile Serpentinen in die Höhe Highlight ist hier ein ca. 300 Meter langer, unbeleuchteter Naturtunnel, der uns in einer Spitzkehre eine Etage höher wieder ausspuckt.




Hier oben erwarten uns unglaubliche Eindrücke. Ein schmales Schotterband windet sich auf über 70 km teilweise durch meterhohe Schneewände, an Stauseen mit meterdicken Eisschollen vorbei durch eine unwirklich erscheinende, archaische Landschaft. Wir können die Zahl der Fotostopps gar nicht mehr zählen, halten immer wieder an und sind regelrecht begeistert. Der einsetzende Schneefall stört uns nicht im geringsten, gehört sogar irgendwie dazu. Störend ist lediglich die hohe Verkehrsdichte, die aus zwei uns entgegenkommenden Fahrradfahrern besteht.




Aber irgendwann geht dieser schöne Abschnitt auch zu Ende und wir müssen uns sputen, noch halbwegs zeitig einen Zeltplatz zu suchen, den wir dann auch nach 294 km am Malmesfjord finden. Muss ich erwähnen, dass wir den Abend noch lange vor dem Zelt in der Wiese liegend mit dem Blick über den Fjord genießen durften? Das Leben ist so schön... 




Route Tag 9 = 294km
Wieder lockt ein sonniger Morgen bei angenehmen, da zweistelligen Temperaturen. Mittlerweile sind wir durch das tägliche Weiterfahren so routiniert, dass wir zeitig reisefertig sind. Aber komisch: die KTM will nicht anspringen. Batterie leer. Gestern Abend haben wir Ulrich kennengelernt, der mit seinem T4 auf die Lofoten will und ein Starthilfekabel dabei hat. Muss ich heute Abend mal nach gucken. So der Plan...

Das Ziel für heute soll der Atlanterhavswegen sein, die Atlantikstraße, die mittels Brücken über mehrere kleine Inselchen die Insel Averøya mit dem Festland verbindet.. Schon bald erreichen wir die erste, optisch spektakuläre Brücke und halten zum obligatorischen Fotostopp an.



Genug geguckt, jetzt wollen wir auch drüber fahren. Aufsteigen, starten, Kupplung ziehen, Gang einlegen, Kupplung kommen lassen,... Was ist das? Motor läuft, Kupplung ist ausgerückt und wir stehen immer noch auf der Stelle? Und das Geräusch kommt nicht von einem Gartenhäcksler, sondern von meinem Motorrad.
Eine kurze Überprüfung ergibt schnell, dass sich die KTM mit eingelegtem ersten Gang quasi widerstandslos schieben lässt. Der Blick unter die Ritzelabdeckung bringt dann die Gewissheit, dass hier am Straßenrand nichts auszurichten ist. Die Getriebeausgangswelle hat nach 98.000 km keine Verzahnung mehr und nimmt das Ritzel nicht mehr mit. Eine kurze Internetrecherche ergibt, dass sich einer von 12 norwegischen KTM Händlern in 30 Kilometern Entfernung befindet. Telefonisch wird der ADAC kontaktiert und drei Stunden später rollen wir wieder; leider nur als Beifahrer im Abschleppwagen. Bei Hatlemotor in Einesvagen hat man uns telefonisch versichert, dass sie im Laden bleiben, bis wir da sind. Zwei Stunden nach Feierabend. Das Motorrad kommt direkt auf die Bühne und wird gecheckt. Stirnrunzeln und bange Blicke inklusive. Ist das das Ende der KTM? Oder zumindest das Ende des Urlaubs? Wir verschieben weitere Überlegungen auf den nächsten Tag und wollen ein Taxi zum nächsten Campingplatz organisieren. Wie selbstverständlich übernehmen die Jungs von Hatle Motor den "Fahrdienst" und setzen uns samt Gepäck an einem 20 km entfernten Campingplatz in Bud ab. Morgen früh kommen sie uns wieder holen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Lagebesprechung in der Werkstatt. Da zwei der drei Alternativen den Abbruch der Reise bedeuten würden, entscheiden wir uns für eine Notreparatur und fangen direkt an. Roger ist der Inhaber des Ladens und bestreitet seit Jahren Supermotorennen. Seine Rennmotoren baut er selber auf und entsprechend ist seine Werkstatt auch eingerichtet.
Voller Euphorie über die geglückte Reparatur verlieren wir das Startproblem aus den Augen, was sich am nächsten Tag rächt. Murphy hat zugeschlagen, und für zwei Defekte gleichzeitig gesorgt, da auch der Regler hinüber ist und bestellt werden muss. Leider über das Wochenende.

Auch wenn dieser Defekt nicht nötig ist so betrachten wir es doch als großes Glück, dass uns das nicht einen Tag vorher widerfahren ist. In der Einsamkeit und Kälte des Eikesdalen wäre schnelle Hilfe unmöglich gewesen. So gelingt es uns auch, das Positive aus der Situation zu ziehen und verbringen das Wochenende mit ausgedehnten Wanderungen und einer eingehenden Besichtigung des wirklich schönen Städtchens Bud.







Ein besonders herzlicher Dank gebührt dem Team von Hatle Motor mit denen wir gute Gespräche, viel Kaffee und das ein oder andere Glas Rotwein geteilt haben.
Es ist wie immer auf Reisen: es sind nicht die Orte, die sich dauerhaft einprägen. Es bleiben die Menschen!


Bedingt durch die ungeplante Unterbrechung müssen wir uns langsam mit dem Rückweg befassen, sodass leider nur noch die Richtung Süden bleibt. Bei Molde unterqueren wir erstmalig einen Fjord und erreichen kurz hinter der nächsten Fähre Åndalsnes wo eine der spektakulären Touristenstraßen startet, die uns über den Trollstigen (das norwegische Stilfser Joch) und an den Geirangerfjord führt.












Landschaftlich beeindruckend und absolut nachvollziehbar, dass man an solch schönen Orten auch viele andere Menschen sieht. Wir amüsieren uns auf der Aussichtsplattform über den Geiranger nur über die 90-Minuten-Hektik einer Kreuzfahrtschifftausendschaft, die mit 15 Bussen über die engen Serpentinen dorthin gekarrt wird und gestoppte zehn Minuten Zeit hat, zwei Fotos und 5 Millionen Selfies zu schießen. Danach herrscht himmlische Ruhe und wir genießen den Ausblick, bis sich das nächste schwimmende Dorf in den Fjord schiebt .



Abends finden wir nach 330 km in Innvik den Viking Camping mit Fjordblick und freuen uns über den pannenfreien Tag.
 



Route Tag 16 = 330km
Mit dem Wissen um die begrenzte Haltbarkeit der Reparatur stellt sich kein echter Fahrgenuss ein. Vor dem Hintergrund entscheiden wir, die langen Tunnelfahrten zu umgehen und nehmen den ein oder anderen Umweg in Kauf, um nicht gerade in so einer endlos langen Röhre liegen zu bleiben, die bis zu 25 km lang sind.
Zur Belohnung bekommen wir dann so landschaftlich beeindruckende Gebiete wie das Gaularfjellet, Bordalen, Mørkedalen und Hemsedal geschenkt, die aufgrund der Höhenlage zwar mitunter eiskalt sind, aber den Augen viele Höhepunkte bieten. So gelangen wir aufgrund der Nutzung einer historischen Route zur Umfahrung gleich dreier aufeinanderfolgender Tunnel auch den Ort Borgund, der mit einer sehenswerten Stabkirche überrascht.
 


In Ørpen bauen wir unser Zelt nach 428 Tageskilometern am Krøderen See auf und entscheiden uns für den nächsten Tag für die kürzere Fahrstrecke nach Oslo.
Die Fähre ist schnell per Handy gebucht und wir kriechen ein wenig wehmütig in die Schlafsäcke, da dies unsere letzte Nacht in Norwegen sein wird.

 
 
Route Tag 17 = 428km
Der Rest ist schnell erzählt. Bis Oslo sind es nur noch 126 km und die Color Fantasy legt bereits um 14 Uhr ab. Nach einer ruhigen Überfahrt erreichen wir vormittags Kiel und ruinieren im Raum Hamburg einemr Feundin die Mittagspause, bevor wir wiederum bei der Familie in Bremen einen Übernachtungsstopp einlegen.
Am nächsten Mittag werden die letzten 400 km bereits nach einer Stunde beendet, da sich der Erfolg der Notreparatur erschöpft hat. Jetzt ist die Reise wirklich beendet und wir überlassen die weitere Reiseorganisation dem ADAC . Auch hier ist es verblüffend, wie zuverlässig das Bauchgefühl wieder funktioniert hat. Aus einer Vorahnung heraus sind wir über Landstraßen gefahren, wo wir gefahrlos ausrollen konnten, statt den schnellen Weg nach Hause über die Autobahn zu nehmen.

Fazit: eine wunderbare Reise, deren Eindrücke und Erfahrungen durch die Pannen und Reparaturstopps in keinster Weise geschmälert werden. Im Gegenteil: wir haben dadurch wunderbare Menschen kennen gelernt und großartige Hilfsbereitschaft erfahren dürfen.

Schweden hat uns durch seine Einsamkeit und Ruhe fasziniert. Entschleunigung und Genuss sind hier garantiert.

Norwegen ist so reich an Naturschönheiten, dass es noch Reiseziele für viele Jahre bietet. Das Preisniveau ist in Schweden hoch und in Norwegen heftig. Für einen normalen Einkauf von Lebensmitteln kann man in Schweden 50% Aufschlag rechnen. In Norwegen ist das Rechnen einfacher: verdoppeln reicht, solange kein Alkohol berücksichtigt wird...


Und die KTM? Weg damit...in die Werkstatt! Sie wird wieder hergerichtet. Und zwar so, dass alles überprüft wird, da sie einmal so schön auseinander ist. Alles Nötige wird erneuert, damit sie weitere 100Tausend km erreichen kann und uns nächstes Jahr wieder sicher tragen kann. Denn dann wird es einsam. Finnland ruft und wir hören sehr aufmerksam zu......