Sonntag, 5. Mai 2019

Antwerpen April 2019 / Städtetrip

"Eigentlich"...

...wollen wir nur unsere favorisierte Band "The Slow Show" sehen und hören. Mit neuen Songs gehen sie auf eine kleine Clubtour mit nur vier Konzerten.
Berlin, London und Amsterdam sind am Tag der Ankündigung bereits ausverkauft, sodass nur Antwerpen übrig bleibt. Uns wurde da erst bewusst, wie schnell und einfach die Stadt für uns zu erreichen ist. Schon 100 mal auf dem Weg an die holländische Küste daran vorbei gefahren und immer als zu laut, zu groß und zu dreckig durchgewunken wollen wir diesmal die Chance nutzen, diese Vorurteile auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.
Auf der Suche nach einer Unterkunft haben wir ziemlich genau zwischen dem Musikklub und der Altstadt ein Bed&Breakfast gefunden und gebucht, dessen Lage uns ermöglicht, alle Unternehmungen für die zwei Tage fußläufig zu gestalten. Zudem gefallen uns das Haus und die Wohnung so gut, dass wir sie bedingungslos weiterempfehlen können. Bereits der Eingangsbereich ist liebevoll dekoriert und das Treppenhaus macht direkt auf diesem Niveau weiter:

B&B CoucheCouche Detail

B&B CoucheCouche Treppenhaus

B&B CoucheCouche Detail

Das Haus liegt im Viertel Borgerhout in einem engen Gewirr von Einbahnstrassen an einem kleinen Platz hinter einer Kirche und bietet trotz der Innenstadtnähe Ruhe und Erholung. Um die Ecke liegt eine kleine Frühstücksbar mit einem tollen Angebot.
Wir machen uns zu Fuß auf zu einer Stadtbesichtigung und erreichen bereits nach wenigen Minuten den Hauptbahnhof, von wo aus sich mit den Einkaufsmeilen Meir und Keyserlei ausgedehnte Fußgängerzonen in Richtung Schelde ziehen. Gut, dass heute Sonntag ist und die meisten Läden geschlossen sind. Aufgrung einer beruflichen Vorbelastung lasse ich mir jedoch die heiligen Hallen des Schock-O-Latier Dominique Persoone nicht entgehen. Knallige Farben und eigenwillige Kreationen passen gut zu hervorragender Qualität:

Alles Schokolade


Beim ziellosen Treibenlassen durch den Innenstadtbereich sind alle Vorurteile der Vergangenheit bereits widerlegt und wir genießen das Ambiente der Hafenstadt:



"Homeless Jesus" Bronzeskulptur von Timothy Schmalz / Canada
Antwerpen ist auch als internationale Modemetropole mit eigener Akademie bekannt. In der Nähe des Zentrums "ModeNatie" und des dazugehörigen "MoMu"-Museums befinden sich etliche Boutiquen mit interessanten Modellen, die jedoch nicht so ganz unsere Geschmäcker treffen:


St. Andries




ModeNatie
 
Schließlich erreichen wir das mittelalterliche Zentrum und bewundern wie so viele andere die touristischen Highlights wie den Groenplaats mit der mächtigen Liebfrauen-Kathedrale, den Handschoenmarkt und den Grote Markt mit dem leider eingerüsteten Rathaus und den vielen prachtvollen Zunfthäusern:

Groenplaats mit Rubens Denkmal

Liebfrauen Kathedrale Eingangsportal

Handschoenmarkt

Grote Markt mit Brabo-Brunnen

Grote Markt




Entlang des Schelde Ufers zieht sich eine Promenade zur Steen, der alten Burg, die jedoch komplett eingerüstet auf Restaurierungsarbeiten wartet. In der Gegenrichtung finden wir den Sankt-Anna-Tunnel, der seit 1930 die hier ca. 500 Meter breite Schelde in 32 Meter Tiefe unterquert. Das Begeisternde an diesem Tunnel ist jedoch die hölzerne Rolltreppe, die in mehreren Abschnitten erst den Zugang zur Röhre ermöglicht:

Sankt-Anna-Tunnel / 32 Meter tiefe Rolltreppe aus Holz

Sankt-Anna-Tunnel

Sankt-Anna-Tunnel

Sankt-Anna-Tunnel

Sankt-Anna-Tunnel / 572 Meter lang unter der Schelde

Nach dem Genuss eines typischen Moule Frites (Miesmuscheln in Weißwein mit Fritten) durchstreifen wir auf dem Heimweg noch das sogenannte Diamantenviertel. Angeblich sollen 2/3 des weltweiten Diamantenhandels in Antwerpen abgewickelt werden, woraus auch der Spruch entstanden ist: "Die Welt ist ein Ring und Antwerpen der Diamant darin". Uns schrecken jedoch die vielen Kameras und Türsteher an den glanzlosen Fassaden ab. Zumal der Glanz in den Schaufensterauslagen grundsätzlich keine Preisauszeichnung ausweist.

Am nächsten Morgen streifen wir durch das jüdische Viertel; wohlwissend , dass es sich in Antwerpen um die größte jüdische Gemeinde Europas handelt. Wir stellen erfreut fest, dass der übergangslose Wechsel aus "unserem" stark muslimisch geprägten Viertel für ein gutes Miteinander der Kulturen spricht.
Wir nähern uns dem Hauptbahnhof, der zu den schönsten Europas gezählt wird. Stuckdecken und riesige Rundbogenfenster, Marmorverkleidungen und die alles überragende Kuppel bestätigen diese Aussage eindrucksvoll:

Centraal Station Antwerpen

Centraal Station Antwerpen

Centraal Station Antwerpen

Centraal Station Antwerpen

Centraal Station Antwerpen

Centraal Station Antwerpen

Centraal Station Antwerpen / Blick in die Kuppel

Weitere Streifzüge bei bestem Aprilwetter lassen die Vielfalt der lebendigen Stadt erkennen. Egal ob geschäftige Fußgängerzonen, die von alten Prunkbauten dominiert werden



oder engste Gassen, die die in Ost - West - Richtung verlaufenden Boulevards miteinander verbinden


Vlaeykensgang

Altes trifft mitunter brutal auf die Moderne, die kriegsbedingte Narben geschlossen hat


Und überall gibt es Kultur und Kunst. So wie im modernen Museum aan de Stroom im alten Hafenviertel mit seiner Aussichtsterasse und interessanten Details der Fassade

Museum aan de Stroom




Das direkt anschließende Viertel Schipperskwartier beherbergt nicht nur das örtliche Rotlichtviertel, sondern erinnert uns auch ein wenig an Lissabon





Unser eigentliches Ziel der Reise haben wir dann auch noch erreicht und ein wirklich wunderbares und sehr intimes Konzert im Trix-Club erleben dürfen:




Fazit: Antwerpen ist auch ohne Konzertbesuch ein lohnenswertes Ziel für einen Kurz-, Wochenend- oder Städtetrip. Mit ein wenig mehr Zeit im Gepäck auch sehr gut mit Brügge und/oder Gent zu kombinieren. Mit Englisch kommt man überall durch. Ansonsten ist das Flämisch nicht sooo weit weg vom Deutschen.
Eine empfehlenswerte Seite zur Vorbereitung ist visitantwerpen, wo man auch bei Anreise mit dem eigenen Fahrzeug Tipps für eine Besonderheit erhält: man muss sein Fahrzeug registrieren lassen, um eine Einfahrtgenehmigung für die Umweltzone zu erhalten.

Kann mich gar nicht entscheiden, welcher Spruch mir besser gefällt...